Laut Koalitionsvertrag der „Ampel“ soll das BEM-Verfahren in der aktuellen Legislaturperiode eine Stärkung erfahren. Bislang ist in dieser Hinsicht nichts geschehen. In Betrieben mit Betriebsrat ist es bedeutsam, dass sich Betriebsratsmitglieder für die Durchführung eines sachgerechten BEM-Prozesses einsetzen.
Zumindest das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seiner Entscheidung vom 18.11.2021 (AZ: 2 AZR 138/21), die Anfang 2022 veröffentlicht worden ist, dem BEM zu einer Stärkung verholfen. Denn bei häufig kranken Mitarbeitern muss sich der Arbeitgeber gegebenenfalls auch mehrfach um ein BEM bemühen. So muss er ein weiteres BEM anbieten, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten nach einem erfolglosen ersten Versuch erneut mehr als sechs Wochen krank war.
Das BEM wurde 2004 eingeführt. Es soll verhindern, dass Beschäftigte mit hohen Fehlzeiten vorschnell entlassen werden. In dem Verfahren soll der Arbeitgeber prüfen, ob die häufige Arbeitsunfähigkeit durch betriebliche Maßnahmen überwunden werden kann. Denkbar sind beispielsweise technische Hilfen, veränderte Betriebsabläufe, ein anderer Arbeitsplatz oder eine Verringerung der Arbeitszeit. Laut § 167 Abs. 2 SGB IX soll der Arbeitgeber ein BEM einleiten, wenn Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten mehr als sechs Wochen krank waren.
Der Kläger im entschiedenen Fall arbeitet als Produktionshelfer in Nordrhein-Westfalen. 2017 war er an 40, 2018 an 60 und 2019 an 103 Arbeitstagen krankgeschrieben. 2019 bot der Arbeitgeber daher ein BEM an. Der Arbeitnehmer war allerdings zunächst nicht bereit, die gesundheitlichen Gründe seiner Fehlzeiten anzugeben oder den Betriebsarzt einzubeziehen. Der BEM-Versuch wurde gleich am selben Tag beendet.
Auch danach war der Produktionshelfer lange krank. Nach 79 erneuten Fehltagen kündigte der Arbeitgeber ordentlich mit einer Frist von sechs Monaten.
Dagegen klagte der Arbeitnehmer und gab nunmehr auch die ärztlichen Diagnosen seiner Erkrankungen an. Unter anderem konnte er danach nicht mehr schwer heben und hatte Probleme mit der Zugluft in der Produktionshalle. Wie schon die Vorinstanzen gab nun mit Urteil vom 18.11.2021 auch das BAG der Kündigungsschutzklage statt. Der Arbeitgeber hätte erneut ein BEM anbieten müssen.
Wenn ein BEM-Verfahren noch läuft, muss danach der Arbeitgeber bei erneuten Fehlzeiten zwar nicht parallel ein weiteres BEM einleiten. Vielmehr sollen dann die aktuellen Probleme und deren Ursachen in die laufenden Überlegungen einbezogen werden.
Anders sehe es aber aus, wenn ein BEM bereits abgeschlossen ist. Dann beginne der für das BEM maßgebliche Zeitraum von sechs Krankheitswochen erneut. Werde er überschritten, sei ein weiteres BEM fällig, sofern dies nicht von vornherein erfolglos erscheint. Der Bezugszeitraum von zwölf Monaten für die sechs Krankheitswochen bedeute nicht, dass erst nach einem Jahr ein weiteres BEM einzuleiten ist, betonten die Erfurter Richter.
Hier sei es durchaus wahrscheinlich gewesen, dass der Produktionshelfer auf einen erneuten Vorstoß seines Arbeitgebers eingeht und die gesundheitlichen Gründe für seine Fehlzeiten preisgibt. Nach den Angaben im Gerichtsverfahren wäre dann beispielsweise die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes infrage gekommen. Der Hinweis des Arbeitgebers, in der Fabrikhalle gebe es keine Arbeitsplätze ohne Durchzug, reiche nicht aus. Die Kündigung sei damit unwirksam, der Arbeitgeber müsse ein weiteres BEM nachholen, urteilte das BAG.